Atemübungen
Pranayama als Teil der Yoga Übungspraxis ist der Atmung und Lebensenergie gewidmet. Atmung ist so unmittelbar mit dem Leben verbunden, das sie im Hintergrund meist unbeachtet bleibt. Selbst beim Sprechen, Lachen oder Weinen steht eher der Beweggrund im Licht der Aufmerksamkeit als der Atemprozess. Beim Sprechen ist es z. B. ein Gedanke, beim Lachen der Witz und beim Weinen die Trauer. Atemprozesse gestalten sich also stimulations- wie situationsbedingt durch psychische und physische Impulse. Meist geschehen sie autonom im Hintergrund oder werden einer Zweckbestimmung wie beispielsweise der Lautformung untergeordnet. Man könnte das Sprechen auch als schlaues Atmen bezeichnen.
Der Sinn einfacher Atemtechniken wie beim Eintauchen des Kopfes in Wasser leuchten schnell ein. Wer die Technik nicht beherrschte, konnte schnell Atemnot spüren. Beim Waschen der Haare hatte sie also einen schlicht praktischen Hintergrund. Den Atem lang genug innehalten zu können, war Übungssache und ersparte manchen Kindern schlimme Panikgefühle. Beim Sprechen oder auch Singen werden Klänge von einer reifen Atmung besser getragen als beim ständigen Luft schnappen. Es geht hier aber weniger darum, Taucher zu werden oder um die Weitung des Lungenvolumens für Sänger*innen. Im Yoga beschäftigen uns im weiteren Sinne die Natur und Kultivierung der Atmung. Dies kann umfassenden Einfluss auf die Verbesserung der Lebensqualität nehmen.
Nehmen wir als Beispiel einmal den Seufzer. Um seine Funktion zu verstehen, sollten wir der Atmung selbst intensive Achtsamkeit widmen. Fragen wie: “In welchen Situationen erscheint er, wie gestaltet sich der Atemstrom beim Seufzen, Atmen wir dabei kurz oder lang ein oder aus, fließt die Luft gleichmäßig, ist die Einatmung kürzer als das Ausatmen, stockt das Ausatmen am Endpunkt oder klingt es aus?“ was bewirkt ein Seufzer auf physischer und psychischer ebene? Das ist Selbstforschung die uns dem besinnenden Verständnis der Atmung und des Pranayama näher bringen. Atmung kann als Mittel gegen grassierende Selbstvergessenheit den kürzesten Weg zur Selbstbesinnung ebnen. Einerseits ist sie ein Prozess des autonomen Nervensystems, andererseits können wir auf sie mit unserem Willen Einfluss nehmen. Diese Brücke zwischen Bewusstem und Unbewusstem öffnet ebenfalls eine sehr interessante Perspektive. Wenn sich daraus Atemtechniken herleiten lassen die positiven Einfluss auf unser Leben haben, können wir davon ausgehen das es großen Sinn macht sich damit zu beschäftigen. Das könnte sogar befriedigender als Shopping sein, wenn wir es der Atemform bei der Kopulation gegenüber stellen. Ich hoffe das so ein wenig klarer wird wie vielfältig, bedeutsam die Atmung für unser ganzes Leben ist und noch werden kann. Weil Yoga sich seit über 2000 Jahren mit dem Thema Atmung beschäftigt lohnt es die Perspektive auch dorthin zu weiten.
In altindischer Vorstellung deutet das Wort Prana auf eine feinstoffliche Energie hin, die den Körper aller Lebewesen durchdringt. Eine Energetisierung durch Pranayama Techniken kann zur Entfaltung erweiterter Bewusstseinszustände beitragen. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass Atemtechniken parallel zur Fokussierung bestimmter Bewusstseinsinhalte die entsprechenden Bewusstseinsfelder energetisiert. Lebensenergie realisiert sich dort, worauf wir unsere Achtsamkeit richten. Die Ausrichtung meiner Pranayama- und Meditationspraktik ist auf eigenschaftslose, geistige Stille gerichtet. Deshalb kann meine Lebensenergie auch selbstregulative Ausrichtungen entfalten, die sich den üblichen Zweckrationalismen entziehen. Als Methode formloser Meditation (wie z. B. über Licht oder Leere), öffnen sich im Dhyana (der ununterbrochenen Ausrichtung des Bewusstseins auf ein Meditationsobjekt) Erfahrungen nondualer Einheit ohne Attribute (Nirguna-Shamadi). Prana selbst ohne Form wirkt in allen Formen des Universums. Im Menschen wirkt diese Energie einerseits autonom und andererseits spiegelt sie sich im Willen. Der Wille unterjocht sie dem menschlichen Unverständnis und entsprechenden Eitelkeiten.
Kurz gesagt: „Je wunschorientierter, um so schwerer, aber je absichtsloser, um so leichter wird es mit dieser Energie zu leben.“ Immerhin handelt es sich dabei vermutlich um den evolutionären Antrieb der lebendigen Wesen.
Mir wurde in der meditativen Bewusstseinshaltung und ihrer impliziten Neutralisierung der Logik unserer Zweckrationalismen auf eindringliche Weise gewiss, wie eingeschränkt unsere Wahrnehmung und Urteilskraft immer dann ist, wenn das Ganze als Einheit präsent wird. Mit dem Intellekt unfähig alle Unbekannten einzuschließen, spiegelt es doch die unfassbare Realität unseres Daseins. Die Lebensenergie Prana spiegelte sich in der Erde, dem Wasser, der Sonne, der Luft und in der feinstofflichen Ebene, dem Äther. Mit den sogenannten Naturwissenschaften waren wir zwar in der Lage die Elemente differenzierter und detaillierter zu betrachten, wir haben aber dabei offenbar den Gesamtklang des Lebendigen aus dem Gehör verloren. Der Begriff Prana wurde ein wenig erläutert, aber neben dem Wort Prana folgt Ayama und bedeutet: die Vitalkapazität zu einem höheren Energielevel zu sammeln und besonnen zu lenken. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig (l’art pour l’art) Yoga für Yoga. Das würde jeder Form sozialer Bezüge entgegenstehen. Es bedeutet daher die Weitung des Blickfeldes für eine Welt, mit intakten Ökosystemen, worin Menschen lernen friedlich mit anderen Lebewesen zu existieren.
Dass die westliche Gewinnorientierung mit der entsprechenden Produktion Wachstumsgrenzen verleugnet, provoziert parallel zur Totalausschlachtung der Erde eine Zwangssituation die sich gegen alle Lebewesen dieser Erde richtet. Erste Hungerstreiks von “Jugendlichen ohne Zukunft“ deuten auf eine zunehmende Eskalation. Angesichts dieser Zuspitzung wirkte der Coronavirus wie ein Botschafter des sanften Weges. Wenn Pandemien mit eiskaltem Tod drohen wird Menschen vor Augen geführt was wichtiger als materieller Reichtum ist. Wenn Viren aggressiver Mutieren als Gegenmittel international gestellt werden konfrontiert das mit globalen Herausforderungen die engstirnige Profitabsichten immer dümmer erscheinen lassen. Aber Ökonomen rechnen Katastrophen wie den Klimawandel als Wirtschaftsszenarien ohne umfassende Kenntnisse globaler Schäden an der Biodiversität. Katastrophen werden dort schnell zu Börsenspekulationen. Wobei die Welt zunehmend auf das reduziert wird was beschränkte Vorstellungen zulassen.
Die komplexe Balance vieler Bedingungen bedeutet Leben oder Tod. Im folgenden Beispiel wird das verständlicher.
Man rechnet mit einer Zunahme der vorzeitigen Todesfälle um 5,5 Prozent pro Zunahme des Jahresmittelwertes von Stickstoffdioxid um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter. Dabei sind jedoch Kombinationswirkungen von Stickstoffdioxiden mit all den anderen Schadstoffen im Gemisch ‚Luftverschmutzung’, toxikologisch wenig erforscht. Somit beginnt unter Wissenschaftlern die Auseinandersetzung über die Zusammensetzung des Giftcocktails in unserer Atemluft. Nicht nur auf Asthmatiker wirkt jeder Giftanteil in der Atemluft schädlich. Wir sind alle, und besonders in Ballungsgebieten betroffen.
Eine zweideutige Rolle der Stickoxide erklärt sich mit der Einsicht, dass das Stickstoffmonoxid ein Giftgas, und gleichzeitig unverzichtbar für das Leben ist. Es reguliert den Blutdruck, hilft beim Lernen und ermöglicht Entspannungsreflexe. Dabei handelt es sich aber um Stickoxid des Körpers, das im Blutkreislauf nur kurzlebig ist und u. a. als Neurotransmitter agiert. Es kommt wie so oft auf die Menge an und wie es in den Körper gelangt. Hier wird sehr deutlich wie subtil die Balance zwischen gesund und tödlich ist. Dass sie positiv wirken kann, zeigt eine sehr alte Yoga-Atemübung die auf empirischem Wissen gründet.
Brahmari als Vorübung der Pranayamas
Hierbei geht es um tiefes Atmen und damit verbundenem Summen. Brahmari ist eine Übung, die auch ich sehr gerne zu Beginn meiner Pranayama-Übungen einsetze. Kapalabhati geht dabei als Reinigungsübung voraus. Leider wühlt das den Kreislauf etwas auf und steigert den Blutdruck. Deshalb ergänzt Brahmari, Kapalabhati durch eine systolische sowie diastolische Blutdrucksenkung und eine leichte Senkung der Herzfrequenz. Diese so durch Stickoxid bewirkte parasympathische Dominanz und wie die extreme Absenkung von Kohlendioxid im Blutkreislauf schafft eine gute Basis für Pranayama-Übungen. Da Pranayamas oft mit sehr subtil gesteuerten, langsamen Atemphasen und Atempausen einhergehen, sind sie ohne derartige Vorbereitungen kaum möglich.
So bestätigt sich einmal mehr die subtile Selbstwahrnehmung der Yogis durch präzise Platzierung der Übungsabfolgen in ihrer einzigartigen Pranayama – Atemkultur. Der Spiritualität dienend erzeugt Pranayama eine nach innen gerichtete Bewusstseinshaltung, die den friedvollen Rückzug der Sinne von der Außenwelt erleichtert, um Meditation zu ermöglichen.
Beim singenden Rezitieren des Mantras AUM, das bei der Einstimmung zum stillen Mantra Japa half, wurden ebenfalls befriedende Wirkungen festgestellt. In Fortsetzung führen sie zur Deaktivierung des limbischen Systems, dämpfen emotionale Reaktionen und führen zu großer Gelassenheit. Die obigen Wirkungen beruhen auf den gleichen Effekten wie sie durch Brahmari verursacht werden und sind folgend aufgeführt:
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Stickoxid Freisetzung im Blut: Senkung von Blutdruck und Herzschlagfrequenz,
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Verbesserung der Lymphzirkulation: So wird die Reinigung der Zellen und des Gewebes von Bakterien, Giften, Hormonen, Fremdpartikeln, Wasser und Proteinen gefördert.
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Erhöhte Melatonin Werte: Ein zu niedriger Melatoninspiegel kann Schlafstörungen hervorrufen. Ein zu hoher Melatoninspiegel kann durch Lichtmangel bedingt sein und Müdigkeit bis hin zu Winterdepressionen bewirken.
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Endorphinausschüttung: Im Rückenmark wird bei Erregung der Endorphinrezeptoren der Schmerzreiz unterdrückt.
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Oxytocinausschüttung: Bewirkt u. a. Gebärmutterkontraktionen, Gewichtsabnahme und verbesserte Cholesterinwerte.
Es ist schon erstaunlich, was für eine Atemkultur Yogis auf Selbstwahrnehmung beruhend, schon vor über tausend Jahren hatten. Zu ihrer Zeit gab es keine Blutdrucksenkenden Pharmazeutika, keine Kompressionsstrümpfe zur Behandlung von chronischen Lymphödemen oder Aspirin. Diese Wirkungsweisen der Atemübungen waren ein Beitrag zur Gesunderhaltung waren aber nicht ihr Hauptzweck. Ein Blick in Richtung Ayurveda, über den Tellerrand unserer pharmazeutischen Konsumgewohnheiten, lohnt jedoch allemal. Im Yoga gelten die Pranayama – Übungen eher zur Beruhigung des Geistes und zur Aufladung mit Energie. Sie waren nach der Prämisse: eine gesunde Lebensweise verbessert die Bedingungen für einen gesunden Geist, als Mittler auf spirituellen Wegen.
Die Übungen des Pranayama gehören neben einigen anderen Fachbereichen zum Hatha – Yoga. Das wiederum ist aus Ayurveda einem Gesundheits- und Medizinsystem und dem Raja-Yoga hervor gegangen. Im sogenannten Astanga – Yoga, einer Übungsweise die eher die Geistige Ebene anspricht werden weitreichende Entwicklungen in nur Acht Stufen zusammenfasst. Zur Orientierung im Rahmen unserer Yoga – Entwicklung nutze ich dieses Konzept, das Yoga – Schülern eine Selbsteinschätzung ermöglicht.
Yamas, Niyamas und Asanas gehen dem Erlernen der Pranayamas voraus. Das benötigt gewöhnlich einige Jahre (10) und eine gesunde Konstitution. Deshalb wendet sich dieser Text nicht an oberflächlich Interessierte, die mal eben ein paar Atemübungen machen möchten. Im unumgänglichen Rahmen vorausgehender Yoga-Erfahrung möchte ich hier unser Denken zur Praxis führen. Mit dem Ausbau der Atemmuskulatur, der Weitung unserer Lungen und der bewussteren Steuerung des Atemstromes, ändert sich auch die Vitalkapazität und damit die Möglichkeit der Selbstverwirklichung!
Hierbei setze ich kein Selbstverständnis voraus! Worauf Inder deuten, wenn vom Selbst die Rede ist, ist Westeuropäern kulturbedingt meist fremd. Dazu kommt, dass das Wort “Verständnis” aus der Werkzeugkiste des Denkens stammt, die im Verhältnis zu den Erfordernissen des Lebens immer zu klein erscheint. Beschränkt sich das Selbst auf ein körperliches sowie geistig begrenztes Sein bis zum Tod, erscheint Selbstverwirklichung lebbar. Gilt das, was ich getan habe, auch nach meinem Tod, wird es unübersichtlich und manchem unbequem. Das meint nicht nur die Rückenlage im Sarg. Das Selbst der Christen muss nach dem Tod bis zum jüngsten Gericht auf Befreiung oder ewige Verdammnis warten. Diese kosmische Vergeltungskausalität reichte im westlichen Denken offensichtlich nicht zum verantwortungsbewussten Umgang mit der Schöpfung Gottes.
Was letztlich Selbstverwirklichung bedeutet ist vom Weltbild oder Standpunkt abhängig? Dort, wo Wissen Macht bedeutet, scheinen Menschen immer mehr über immer weniger zu wissen, wobei Selbstwahrnehmung bis zur Selbstvergessenheit schrumpft.
Nadananda
Für Übungsgruppen:
Einige organisatorische Dinge, die im Vorfeld der Übungszeiten erledigt werden. Zur Terminorganisation der Gruppen nutze ich den Telegram Messenger, der auf Android-Handys läuft. Ich bitte um Verständnis für den Technologieeinsatz. Neben Texten, die meine Vermittlung von Pranayamas unterstützen, werde ich eine Multimedia-Applikation einsetzen die ebenfalls auf Android-Handys installiert eine effektive Erleichterung des Lernens erlaubt. Die Apps laufen z. B. auf Samsung-Handys (z. B. S3 Minis), die man gebraucht von Freunden oder anderen geschenkt bekommen bzw. schon ab 30 € kaufen kann.
Die Konditionen für das, was ich tue, findet ihr unter: Karma-Yoga