Sichtweisen über Zufriedenheit und Erfolgsziele?

Der zentrale Wertmaßstab für Lebensqualität ergibt sich aus der Zufriedenheit. Ein glücklicher Zustand, der in jeder Hinsicht für alle Menschen erfreulich ist. Welche Wege führen zu ihr, wie entsteht Zufriedenheit? Wie verstehen wir die im Hintergrund ablaufenden Bewusstseinsprozesse und wer klärt uns darüber auf?

Wenn es um die Befriedigung eines Wunsches geht, richten wir im Normalfall unsere Aufmerksamkeit auf das Objekt unseres Begehrens. Wir versuchen uns Wünsche mit entsprechendem Verhalten zu erfüllen. Wir schreiben beispielsweise einen Wunschzettel und warten dann auf die Wunscherfüllung. Manchmal gibt es auch die spontanen Glücksgefühle über irgendetwas oder das Gelingen, einen Menschen mit einem Geschenk glücklich zu machen, erfüllt mit Freude. Leider ist es nicht immer so einfach. Einerseits gibt es solche Momente und Wünsche, andererseits gibt es aber auch Zielvorstellungen. Diese bedeuten ebenso großen Einsatz. Leider sind Aufwand und Mühen oft sehr groß im Vergleich zur kurzen Zeit der Freude beim Erreichen der Ziele. Wenn etwas erreicht ist, schwindet die Zielprojektion und Motivation im Fokus der Aufmerksamkeit. Um diesen Prozess vom Begehren zur Ausgeglichenheit zu verstehen, erscheint es nun wichtiger, den Bewusstseinsprozess und nicht nur das Ziel des Begehrens genauer zu untersuchen. Zufriedenheit ist nahe bei der Unzufriedenheit beheimatet. Zum Beispiel ist einer der kürzesten Wege zur Enttäuschung die Erwartung an andere. Das führt in Partnerschaften oft zu Konflikten, die wir fast alle kennen. Der Konflikt beginnt in unserem Kopf, im Bewusstsein. Wenn wir unseren Geist besser verstehen lernen, werden wir diese Konflikte durchschauen. Vielleicht finden wir so Antworten darauf, wie wir einen zufriedenen, glücklichen Lebensweg gehen könnten.

Anstatt also dem eigenen Leben in flüchtiger Begeisterung eines Beta-Testes zu begegnen, ist Selbstbesinnung auf innere Wahrheiten geeigneter, um fundamentale Trugschlüsse zu vermeiden. Welcher Art sind die grundlegenden Erfahrungen junger Menschen, wenn sie z. B. weitreichende berufliche Entscheidungen treffen müssen? Qualifiziert sie ihre schulische Bildung für ein erfülltes Leben oder liefert sie nur Instrumente zur Bedienung einer Kultur, in die wir hineingeboren wurden? Meist entwachsen sie den Feldern quantifizierbarer, kulturintegrativer Leistungsforderungen. Ob Abitur, Studium oder Beruf, wer die Leistungsansprüche übertraf, wurde gelobt und die Besten bekamen Auszeichnungen. Für stetige Verlierer konnte so etwas zur Depression werden. Wieso lässt man in unserer Kultur so viele Menschen wie Verlierer aussehen und Stück für Stück tiefer in eine Unzufriedenheit mit sich selbst sinken?

Die zelebrierten Leistungssportarten treiben es auf die Spitze. Schmerzen werden medikamentös entfernt, um Helden des Leistungswahns zu produzieren. Oft werden sie trotz Doping sogar noch gefeiert. Das Ideal, Held sein zu müssen, ist so stark ausgeprägt, dass Menschen in Kauf nehmen, sich dafür selbst zu vergiften. Dass die Höhepunkte solcher Karrieren gelegentlich mit einer frühen Beerdigung in der Stille ausklingen, ist weniger bekannt. Schon ganz junge Sportler finden ohne Aufklärung der verlogenen Hintergründe in solchen Helden ihre Vorbilder. Im Wetteifern stoßen sie schließlich selbst an die Grenzen ihrer gesunden Physiologie und konfrontieren den Körper mit Zwangsvorstellungen und Willenskraft. Sind die Erfolgsziele erst einmal verinnerlicht, ist der Ort des Konfliktes im Inneren und der Akteur treibt sich ganz von selbst an. Zum Glück endet es nicht immer wie in der Schilderung, doch sie weist auf eine instrumentalisierende Leistungserziehung.

Idealisierungen, die wenige Gewinner hervorbringen, aber ungleich größere Mengen als Verlierer zurücklassen, zeugen nicht von der Sozialität unserer Leistungsgesellschaft. Der wöchentlich wiederkehrende Traum, erfolgreich sein zu wollen, spiegelt sich ebenso im Lotto-Spiel. Dort wird statistisch sichtbar, wie viele Verlierer es gibt. Sie sind unzufrieden – zufriedene Menschen sind keine guten Konsumenten. Die soziale Komponente der Glorifizierungen von Erfolg findet sich in der Leistungsmotivierung derer, die ebenfalls first class durchs Leben reisen wollen. Dieser rote Faden, auch Erfolg und viel Geld haben zu wollen, spiegelt sich in der ganzen Gesellschaft wider. Das davon zudem ganze Industriezweige wachsen, ist kein Nebeneffekt.
Die erklärte Absicht der Eliten ist Wirtschaftswachstum ohne Grenzen.

Welche Selbsterkenntnisse erlangen Einzelne in der Masse der Verlierer, was fühlen sie, wenn das, was sie sind, im Vergleich mit den Erfolgreichen keine Anerkennung verdient? Welche Minderwertigkeitsgefühle werden dadurch erschaffen? Ist es nicht leichter, sich hinter einer selbst gebastelten, illusionären Erfolgsfassade zu verbergen? Kaufen wir uns tolle Klamotten, ein geiles Auto, eine nette Hütte und fliegen möglichst oft mit dem Flugzeug durch die Welt. Ja, dann sind wir schon wer und müssen uns nicht schämen. Ist Sublimierung wichtiger, als das zu sein, was wir naturgegeben sind?

Wozu reicht dann der Rest verbleibender Selbstachtung, wenn das Selbstwertgefühl erschüttert wurde? Ist das die Energiequelle zur lebenslangen Erforschung dieser Existenz? Wie wollen wir so selbst unsere Beziehung zur Welt begreifen, um darin ein glückliches und zufriedenes Leben führen zu können? Wäre es nicht grundsätzlich gesünder, ohne selbstzerstörerische Leistungsmaßstäbe ein Handeln zu entfalten, das uns auf Selbstbewusstsein gründend mit einem gesunden Selbstwertgefühl belohnt? Leider stehen uns aber anerzogene und verinnerlichte Ideale näher als das, was wir selbst sind. Unsere Vorstellungen und Gedanken sind uns wichtiger als die Wirklichkeit und das führt zwangsläufig zu Konflikten im Inneren sowie mit der Welt.

Selbstbewusstsein ohne Selbstwahrnehmung bleibt Selbstbetrug. Innere Wahrheit ruht in dumpfen Regionen des Geistes und ist für Selbstverwirklichung wie Samen ohne Wasser. So schweben Gedanken ohne grundlegendes Verständnis bodenlos wie bizarr, fremde Konstrukte, ohne Berührung mit der Welt in der Leere. Leider und oft genug zeigt sich diese Verwirrung im richtungslosen, verlorenen Streben vieler Mitmenschen.

Eine Fremd- statt der Selbstbestimmung prägt die Wechselbeziehung zwischen der Welt und dem, was wir selbst sind. Anfänglich sind es Eltern und Familie, Erzieher und Ordnungsregeln. Dann sind es Bildung, verinnerlichte Prinzipien oder Ideen, Berufsausübung usw.. Das sind alles Einflüsse, die uns in die Kultur integrieren, in die wir geboren wurden. Was wir lesen, wie wir die Medien nutzen, was wir reden, wie wir uns ernähren, und viele andere Impulse drängen auf uns ein. Stellt sich so nicht die Frage, ob es in oder an uns überhaupt noch etwas gibt, das entfremdet werden kann?

Gibt es nun Hoffnung auf Selbstbesinnung und vielleicht sogar darauf, der inneren Wahrheit näher zu kommen, um Selbstbestimmung und Handeln auf ein gutes Fundament zu stellen? Meine Erfahrung weist als erfolgversprechendste Vorgehensweise auf Selbsterforschung. Dabei sind alle Methoden oder Formen der Selbstbegegnung und ein gesunder Menschenverstand hilfreich. Obwohl mir bildende Kunst und Philosophie in der Vergangenheit nahe standen, war mir Yoga auf dem Weg zur Selbsterkenntnis unentbehrlich. Das Entfalten einer inneren Haltung, die einer Insel im Meer des lebendigen Bewusstseins gleicht, verdanke ich meiner Yoga-Praxis. Sie diente mir stets als Ausgangs- und Fixpunkt ruhiger Selbstbegegnung zu klärender Selbsterforschung und als Grundlage reifender Selbsterkenntnis.

Die Yoga-Meditation ermöglichte mir, aus der Betroffenheit und Identifikation mit Leistungs wie Denkprozessen heraus in eine Beobachterposition zu wechseln. Mit der so entstandenen Distanz zu den Inhalten meiner Bewusstseinsräume enthüllten sich mir in aufmerkender Wahrnehmung Selbstbildnisse. Sie zeigten mir, wer ich war, meine Existenzängste und mein Verlangen nach Sicherheit. Mein Begehren nach Anerkennung und die Ablehnung anderer. Sie zeigten mir, was ich werden wollte. Schließlich offenbarten sie mir, dass ich immer schon etwas war, etwas, das meinen fernen wie kühnen Zielvorstellungen fremd blieb, weil es ständig gegenwärtig war. Ich hatte in der Zukunft gesucht. Ich wollte etwas erreichen. Ich hatte etwas erwartet. Ich bewegte mich in Vorstellungsräumen, in denen nur das Denkbare Besinnung fand. Schließlich war ich also in der Gegenwart in der Mitte zwischen dem, was war und dem, was kommt, angekommen und beheimatet. Das ist ein sehr guter Zustand, weil da und nur dort die Lebenskraft pulsiert! Wie ein buddhistischer Lehrer einmal sagte: ”Keiner von uns ist besser oder schlechter, wir sind alle in der Mitte. In der Gegenwart.“

 

 Hellste, spontane Freude ist himmlisch!